Delfine im Anzug

Elegant, kreativ und effizient: Der Delfin-Strategie gehört die Zukunft

Einst Wirtschaftswunderland, heute Europas Schlusslicht: Die deutsche Wirtschaft tut sich schwer, Antworten auf die Herausforderungen des globalisierten Informationszeitalters zu finden. In einer solchen Situation sind ´Delfine` gefragt: Manager, die spielerisch-elegant, kreativ, kraftvoll und effizient Wege in eine langfristig überlebensfähige Unternehmensstrategie finden.
Bereits Ende der 1980er Jahre entwickelten die beiden US-Amerikaner Dudley Lynch und Paul Kordis die ´Delfinstrategie`. Sie benutzt den Teich als Symbol für das wirtschaftliche Umfeld, in welchem Manager bestimmte Rollen spielen: Karpfen, Hai oder Delfin. Verschlechtern sich die Bedingungen im Teich, so reagieren seine Bewohner ganz unterschiedlich. Der Karpfen scheut die persönliche Verantwortung und flüchtet sich in die Rolle des Opfers und ewigen Verlierers. Haie dagegen stehen geradezu unter dem Zwang, stets gewinnen zu müssen. Sie wollen um jeden Preis so viel wie möglich bekommen. Sie fressen erst die Karpfen und dann ihresgleichen und verhungern am Ende im leeren Teich.
"Karpfen und Haie – das sind Reaktionsmuster, die im menschlichen Verhalten tief verankert sind", erklärt Steffen Neiß, Vorstand des Trainings- und Beratungsinstituts hso AG im schwäbischen Leinfelden-Echterdingen und einer der wenigen lizensierten Trainer für Delfinstrategien in Deutschland. Aber was seit Urzeiten funktionierte, versagt heute angesichts einer sich immer rascher verändernden Welt. "Karpfen wie Haie sind auf ihre Weise unfähig zu wirklicher Veränderung", sagt Neiß und nennt ein Beispiel: "Die New Economy wurde beherrscht von Haien, die nur darauf aus waren, in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Geld zu scheffeln und keinen Gedanken an eine nachhaltige Entwicklung verschwendeten." Der Zusammenbruch der New Economy war die zwangsläufige Folge.
Menschliche ´Delfine` denken und handeln dagegen ganzheitlich. Steffen Neiß beschreibt den typischen ´Delfinmanager` so: "Er entwickelt Visionen, denkt kreativ. Er sucht die Kooperation, ohne Konfrontationen aus dem Weg zu gehen. Er erstrebt keine mittelmäßigen Kompromisse, sondern den Durchbruch. Und er liebt überraschende, elegante und einfache Lösungen." Vor allem aber haben ´Delfine` den Instinkt und den Mut, zum richtigen Zeitpunkt den Sprung in eine neue Entwicklung zu wagen, lange bevor äußere Umstände sie dazu zwingen. Wenn sich die alte Welle bricht und Karpfen und Haie in das ´Tal des Leidens` gerissen werden, schwimmen Delfine längst schon wieder ganz oben auf der nächsten Welle.
´Delfin-Sein` kann man lernen. Dennoch – die Metamorphose vom Karpfen oder Hai zum Delfin vollziehen hierzulande nur die wenigsten Manager. In den USA sei das anders, sagt Rémi Redley, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater: "Dort beschäftigt man sich viel stärker mit der psychologischen Komponente des Managements. Bei uns entwickeln sich die Leute nur selten persönlich weiter."
Das gilt auch für die Politik, da sind sich Redley und Neiß einig. Ein Beispiel sei die aktuelle Diskussion um die Reformen in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. "Manager tun sich schon schwer", klagt Neiß, aber die Politik sei oft ein hoffnungsloser Fall: "Delfine und deutsche Politiker – das ist, als ob man einen Ferrari zusammen mit ein paar Radfahrern auf die Autobahn schickt."

Dr. Uwe Westphal, Magazinbeilage "Sprünge" in der Süddeutschen Zeitung, Region Nord, vom 21.6.2003

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